Berufkräuter: Alter Zauber gegen Berufen & Beschreien

Beruf- und Beschreikräuter
Das Berufkraut | ©CG

 

Unter Beschreien oder Berufen verstand man im alten Volksglauben verschiedene negative Einflüsse: Neid, Verleumdung, überschwängliches Lob und falsche Freundlichkeit. Diese Praxis konnte auch unbeabsichtigt geschehen, zum Beispiel wenn man jemanden zu überschwänglich lobte oder sein Glück stark bewunderte.

Für das Beschreien gibt es viele Namen, wie zum Beispiel:

  • verhexen
  • bereden
  • vermeinen
  • behexen
  • bezaubern
  • verzaubern

Im Grunde genommen alles, was bösen Schaden zufügen konnte.

Die Macht des Berufens und die Rolle der Truden

Dieses Phänomen wurde oft in der Dämonen- und Teufelsaustreibung thematisiert. Durch das Berufen verwandelte sich Glück in Unglück, Gesundheit zur Krankheit und Gutes in Böses.

Im Mittelalter versuchte man deshalb, dem bösen Zauber der Truden (Hexen) zu umgehen. Dazu nutzte man:

Der mittelalterliche Volksglaube besagte: Wenn Truden mit Pflanzen zaubern können, so muss es auch Pflanzen geben, die genau vor dieser Zauberei schützen. Auch bestand der Glaube, dass man angehextes Übel mit gewissen Pflanzen wieder von sich wenden kann.

Der Lochstein im Volksglauben
Lochstein | ©CG

Was konnte Berufen und Beschrien werden?

Vieles war gefährdet, zum Beispiel:

  • Kinder
  • Wöchnerinnen
  • frisch verlobte Paare
  • Waffen
  • Stalltiere

Gerade bei kleinen Kindern war die Sorge groß, dass sie diesen Übeln ausgesetzt waren. Deshalb wurden sie in sogenannten Beruf- und Beschreikräutern gebadet. Damit wurde der angehexte Zauber symbolisch mit dem Badewasser fortgespült. Die Kräuter wurden hierbei immer in einer ungeraden Zahl verwendet.

Die Folgen und Schutzmaßnahmen

Die Folge des Beschreiens war oft eine starke Abmagerung bei Tieren und Kindern, aber auch der plötzliche Hexenschuss und Seitenstiche bei Erwachsenen.
Um vor diesem plötzlichen Auftreten zu schützen, trugen die Menschen Amulette, Beschreibändchen und Chrisamhemden:

Beschreibändchen
Diese bestanden in der Regel aus drei kleinen Stoffbeutelchen, in die meist stark duftende Beschrei-Kräuter oder auch Getreidekörner eingenäht wurden. Die Beutelchen wurden an einem Band befestigt und ums Handgelenk gebunden.

Chrisamhemd
Dieses kommt aus dem Christentum und ist ein Taufhemdchen. Es nimmt den Geruch des christlichen Salböls (Chrisam) an. Das Öl wurde dem Kind vor der Taufe auf den Körper aufgetragen und dann das Hemdchen angezogen, wodurch das Öl einzog. Nach der Taufe wurde das Hemdchen gut aufbewahrt.

Weitere Rituale und Abwehrmethoden

Es gab noch weitere, teils archaische, Methoden zur Abwehr:

  • Neun Brotstücke und neun Kohlenstücke wurden in einen Becher Wasser getan. Dann trank man über Kreuz davon. Der Rest wurde über die Türhalterung gegossen.
  • Wenn man einer Person begegnete, bei der man den Bösen Blick vermutete, knickte man zur Sicherheit den linken Daumen ein.
  • Bergkristalle wirkten ebenfalls gegen diesen Schadzauber.
  • Auch Korallenpulver und Münzen wurden verwendet. Münzen nähte man kleinen Kindern oft in die Mützchen oder Häubchen ein.

Es wurden Zauberformeln angewendet und das direkte Sagen ins Gesicht, dass man beschrien sei, vollzogen. Dabei wurde kräftig ausgespuckt. Auch wenn bellende Hunde auf einmal schwiegen, waren sie „berufen“ oder mit dem Bösen Blick versehen. Des Weiteren wurde das Gesicht abgewischt oder abgestrichen – ein Brauch, den man heute noch in der Türkei kennt.

Ein aus dem Heidentum weit verbreiteter Brauch war, das kleine Kind dreimal in den Ofen rein- und rauszuschieben. Entweder starb es bald oder es wurde gesund. Um sicherzugehen, ob das eigene Kind verschrien war, musste die Mutter dem Kind an der Stirn lecken; war es salzig, war das Kind beschrien.

Welche Kräuter halfen vor dem Beschreien und Bösen Blick?

Im Volksglauben wurden allerlei Kräuter in den Häusern aufgehängt, um Verzauberungen wie das Beschreien oder den Bösen Blick zu umgehen.

Die wirksamsten Schutzpflanzen

Der Beifuß galt als das wirksamste Kraut. Er war in der Lage, sowohl Hexenzauber als auch den Bösen Blick abzuwenden. Der Blickzauber und der Wortzauber gehören eng zusammen, da der Böse Blick das Beschreien auslösen kann.

Interessanterweise haben die Blüten der meisten Beschrei- und Berufkräuter weiße oder gelbe Blüten – die Farben der Reinheit und des Neids.

Zu den bekanntesten schützenden Kräutern zählten:

Scharfes Berufkraut (das bis heute seinen Namen behalten hat)

  • Gundermann
  • Baldrian
  • Liebstöckel
  • Knoblauch
  • Bärlapp

In Deutschland kennen wir neun verschiedene Arten von Berufkräutern. Für diesen alten Volksglauben wurde meist das Scharfe Berufkraut verwendet. Da dieses in Deutschland selten vorkommt und in den Alpen gefährdet sein soll, bitte ich darum, es nicht zu sammeln, falls es entdeckt wird.

Neophyten unter den Berufkräutern

Das einjährige und kanadische Berufkraut sehen wir hier oft, aber diese sind aus Nordamerika eingewandert, sogenannte Neophyten.

Aber auch eine Menge anderer Kräuter finden wir bei den Berufkräutern:

  • Frauenflachs
  • Kreuzkraut
  • Sumpfgarbe
  • Wundklee
  • Aufrechter Ziest
  • Ährige Christophskraut
  • Dürrwurz

Paracelsus kannte das Berufen und Beschreien

Schon der berühmte Arzt und Alchemist Paracelsus kannte die Phänomene des Berufen und Beschreien.

Kinder, die nachts durch Albträume laut aufschrien, bekamen Berufkräuter mit ins Bett gelegt. Zum Beispiel:

  • Frauenflachs
  • Schafgarbe
  • Kohlkratzdistel
  • Johanniskraut

Dadurch waren sie vor den Truden, deren Albdrücken und ihrem Bösen Blick sicher.

Die Paracelsus-Kur (Anno 1608)

Paracelsus empfahl zu damaliger Zeit gegen das Berufen und Beschreien eine spezielle Kur:

  1. Wasser sieden: Johanniskraut, Farn und Andorn in vor Sonnenaufgang geschöpftem Wasser sieden.
  2. Baden: Die Kranken neun Tage lang nacheinander darin baden.
  3. Erde meiden: Während dieser neun Tage durfte der Kranke mit seinen Füßen nicht die Erde berühren, nur Hausschuhe oder Straßenschuhe tragen.
  4. Haut abschaben: Nach jedem Bad mussten die Fußsohlen abgeschabt und die Abschabung aufbewahrt werden.
  5. Versiegeln und Salben: Nach den neun Tagen musste die abgeschabte Haut in einem jungen Eichenbaum versiegelt werden. Nach jedem Bad musste man sich mit Misteln, die auf einer Linde wachsen, einsalben.

Paracelsus versprach: So wird er in kürzester Zeit wieder gesund.

Vom alten Glauben zu „Toi, toi, toi“

Von diesem alten Wortzauber (Beschreien/Berufen) kommt auch unser heutiges „auf Holz klopfen“. Rühmendes Hervorheben von Gesundheit, Glück oder Schönheit brachte angeblich Unheil über denjenigen. Um dieses Unheil abzuwenden, musste man auf Holz klopfen und das Wort „unberufen“ hinzufügen – was wir heute als „Toi, toi, toi“ kennen. Damit konnte der Schadenzauber umgangen werden.

Der Heilziest als Schutzpflanze

Wenn ein Mensch durch eine Krankheit immer schlechter aussah, sagte man in manchen Gegenden zu ihm: „Du siehst aus, als wenn du beschrien wärst“.

  • In manchen Regionen Deutschlands wurde der Heilziest unter der Türschwelle vergraben, um gegen diese Verhexung geschützt zu sein.
  • Im Mittelalter waren plötzlich auftretende Gichtschmerzen, Lähmungen und Schwäche ein Zeichen dafür, dass derjenige berufen oder beschrien wurde. Dagegen half der Heilziest als Räucherung, Waschung, Bad oder als Schutzamulett in der Hosentasche.
Heilziestblüte
Heilziestblüte | ©CG

Die Zahl Neun im Volksglauben

Wenn sich Gesundheit in Krankheit, Gutes in Böses und Glück in Unglück verwandelte, handelte es sich nach mittelalterlichem Volksglauben um das Beschreien oder Berufen durch den Bösen Blick. Die Seele wurde durch Neid, Zorn, Eifersucht und anderen schlechten Eigenschaften verdorben.

Kinder wurden in einem Absud von Neunerlei Kräutern gebadet. Dieses Bad beinhaltete:

  • Brennnesseln
  • Sauerklee
  • Weinraute
  • Gundermann
  • Holunder
  • Salbei
  • Sauerampfer
  • Beinwell
  • Löwenzahn

Der Glaube an die Zahl Neun war sehr stark ausgeprägt und erscheint immer wieder in alten Schriften und Ritualen (wozu auch die „Neunerlei Hölzer“ gehörten).

Das kanadische Berufkraut als „Widerruf“

Das kanadische Berufkraut wurde zum Räuchern des verhexten Viehs verwendet. Diese Pflanze wird auch „Widerruf“ genannt. Der Glaube an dieses Kraut war so stark, dass es sogar in Apotheken verkauft wurde. Man muss dabei betonen, dass diese Pflanze erst im 18. bis 19. Jahrhundert bei uns richtig heimisch wurde.

Sauerklee
Sauerklee | ©CG

Räuchern gegen das Beschreien

Im Mittelalter gab es verschiedene Methoden des Räucherns, um sich gegen das sogenannte „Beschreien“ und „Berufen“ zu schützen. Die Menschen glaubten, dass bestimmte Kräuter und Substanzen vor Unheil und Schadzauber bewahren konnten.

Rezeptur 1: Die Grundmischung

Für eine der gängigsten Räucherungen verwendete man folgende Zutaten, von denen man jeweils etwa drei Messerspitzen abmaß:

  • Teufelsdreck
  • Allermannsharnischwurzel
  • Gewöhnlicher Andorn
  • Teufelsabbisswurzel
  • Schwarzer Kümmel

Rezeptur 2: Die umfangreiche Mischung

Eine weitere, komplexere Räucherung bestand aus einer Vielzahl verschiedener Kräuter und Materialien:

  • Weihrauch
  • Johanniskraut
  • Schafgarbe
  • Farn
  • Ysop
  • Steinsame
  • Majoran
  • Weinraute
  • Sadebaum
  • Immergrün
  • Teufelsabbiss
  • Waldmeister
  • Asche vom Aschermittwoch

Weitere Methoden

Darüber hinaus gab es noch andere Praktiken:

  • Wacholder: Es wurde auch mit dem Wacholder eine Schadenzauber-Räucherung gegen das Berufen oder Beschreien vorgenommen.
  • Dreck von Handfeger und Schaufel: Hierfür musste der Schmutz aus allen vier Ecken des Hauses zusammengekehrt werden.
  • Neunerlei Holz: Auch das Räuchern mit neun verschiedenen Holzarten war eine gängige Methode.

Auswahl und Anwendung der Beschreikräuter

Die sogenannten „Beschrei-“ und „Berufkräuter“ wurden nach spezifischen Merkmalen ausgewählt. Jede auffällige Besonderheit der Pflanze galt als Beweis für ihre schützende Wirkung gegen das Berufen oder Beschreien.

Zu den entscheidenden Merkmalen zählten:

  • Der Geruch
  • Die Giftwirkung
  • Der auffallende Geschmack
  • Natürliche Schutzwirkungen (wie Dornen, Stacheln und dergleichen)

Typische Schutzmaßnahmen und Kräuter

Zum Abwenden des Bösen Blicks:

  • Zweige vom Lorbeer und Weinraute
  • Knoblauch und Zwiebeln

Diese wurden oft über Türen aufgehängt.

Weitere verwendete Kräuter:

  • Hexenkraut
  • Kreuzkraut
  • Dill
  • Tausendgüldenkraut
  • Löwenzahn
  • Königskerze
  • Wermut
  • Eisenkraut
  • Meerzwiebel
  • Mistel
  • Alraunenwurzel

Behandlung von Verhexten

Dem als „verhext“ geltenden Menschen wurde zudem mit einem frisch geschnittenen Fichtenzweig über Gesicht und Stirn gewischt, um den Bann zu brechen. In früheren Zeiten legte man in die Wiege eines beschrienen Jungen ein Rasenstück vom Grabe eines jungen Mädchens. War der Beschriene ein Mädchen, so war es ein Rasenstück vom Grabe eines Jungens.

Beräuchert wurden die Kinder mit:

  • Peterskrautwurtzel (Glaskraut), 1 Loth,
  • Meisterwurtzel (Meisterwurz), Angelicawurtzel (Engelwurz), 1 halb Loth
  • Dorant (Andorn), anderthalb Quintl.
  • Gülden (Tausendgüldenkraut), Widerthon (Frauenhaarmoos), 1 Quintlein,
  • Eisenkraut, 4 Scrupel,
  • Johanniskrautblumen (Johanniskrautblüten), 3 und einhalb Quintlein,
  • Rheinfarn (Rainfarn), 2 Loth

Diese Stücke sollen alle wohl untereinander gemischt, und mit diesem Pulver so wohl das Kind selber, als sein Bett, Tücher, Windeln, Kleider und alles, was ihm zugehört, beräuchert werden.


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